Was brachte mich zur Mediation? Ich denke, es waren zwei Sachen. Zum einen war es der gleiche Impuls der den einen dazu bringt sich fortan vegan zu ernähren oder den anderen dazu auf ein Elektroauto umzusteigen. Es war der Impuls eine Komponente meines Alltags die für mich wesentlich ist – bei mir das Lösen von Problemen im Diskurs – nachhaltig zu gestalten. Zum anderen war es ein Buch, “The Tao of Pooh”, welches die Grundgedanken des Taoismus an Hand des Kinderbuches “Winnie the Pooh”, oder auf deutsch “Pooh der Bär”, darstellte.
Was hat jetzt Taoismus oder gar ein Kinderbuch mit Mediation zu tun? Die begriffe “Mediation” oder “Konflikt” fallen schließlich kein einziges mal in den Büchern. Die Charaktere jedoch, mit all ihren individuellen Persönlichkeiten und Charakterzügen leben mal harmonisch, mal disharmonisch in einer Relation zu einander – sie finden einen Weg, das “Tao” (chinesisch: Dao, “Weg”). Einen Weg finden ist auch das Ziel der Mediation. Dabei gilt es die Extreme zusammenzubringen, Wertungen wie “Recht” und “Unrecht” außen vor zu lassen, vor allem jedoch eine nachhaltige Lösung zu erarbeiten.
Ob beim Abendessen mit der Großfamilie, in Debatten in der Schule, oder im Freizeitschnack bei einer Kugel Eis, Konflikte kommen schnell, gehen aber leider nicht immer ebenso schnell wieder weg. Oftmals schweben die Probleme des Konfliktes noch lange nach Vereinbarung der vermeintlichen Lösung im Kopf herum. Was damals als effiziente Lösung für alle galt, stellt sich nun im Nachhinein als oberflächliche Vertuschung des Problems heraus. Dem einen ist die monetäre Kompensation letztlich doch nicht der seelischen Belastung wert, bei dem anderen hat sich das Problem verlagert und brodelt nun dort neu auf.
Der Film “Inception” bringt es auf den Punkt: “Der widerstandsfähigste Parasit ist eine Idee […] vollkommen geformt und verstanden”. Wenn alle Konfliktparteien die Lösungsidee verstehen und darüber hinaus auch noch vertreten, so ist die Lösung nachhaltig und beruht nicht auf einer Überredung des Mediators sondern seiner Begleitung der Parteien zu einer gegenseitigen oder eigenen Überzeugung die langfristig anhält. Der Veganer bleibt nicht vegan wenn er eine vegane Diät nicht aus Überzeugung vertritt, ebenso wenig wie der Elektroautofahrer wieder zum neusten Benzinmodel zurückgeht wenn er den nachhaltigen Energieverbrauch nicht als Überzeugungsgrund für das Elektroauto sieht. Getragen von einer solchen Überzeugung, einer Idee, sind die Prinzipien der Nachhaltigkeit für Pooh Teil seiner Ontologie. Die Philosophie des Taoismus den Weg zu finden, Gegensätze in ihren Unterschieden zu wertschätzen und gleichzeitig ungezwungen zusammenzuführen (chinesisch: Wu Wei, nicht eingreifen) geht für mich mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit einher auf Grund derer meine Faszination zur Mediation beruht. Als momentaner Laie bin ich gespannt wo es mich hinführen wird.
Michael Diestel, 26. Juli 2018