Im Mittelalter, als es noch keine Uhren gab, lebten die Menschen mit einem anderen Zeitbewusstsein und einem anderen Zeitgefühl. Zeit war einfach „da“ und noch kein knappes Gut geworden. Zeit ist überhaupt erst durch die Uhr „berechenbar“ geworden.
Vor Kurzem sagte der deutsche Philosoph und Publizist Prof. Richard David Precht bei einem seiner Vorträge in Köln: „Die Zeit ist ein Subjekt. Ein universelles Zeitgefühl gibt es nicht, manchmal kommt uns die Zeit langsam vor, manchmal schnell; je nachdem, was wir wie selbst erleben und, wie wir uns damit fühlen“.
Wie ist das mit den Konflikten und der Zeit?! Besonders im Konfliktfall spielt die Zeit eine wichtige Rolle. Jeder möchte gerne schnell aus dem Konfliktfall entlassen werden. Konflikte werden als unangenehm und schwierig bewertet. Irritation führt zur Unsicherheit, wie man den Konflikt klären oder lösen könnte. Zweifel entstehen, wie man sein Gegenüber überzeugen kann oder auch nicht … Es wird schnell gesprochen. Diskussionen über Unterschiede oder Meinungsverschiedenheiten werden beschleunigt und hitzig bis emotional empfunden. Aus Erfahrung meint man ja zeitnah zu wissen, was der andere sagen will oder nicht.
Wenn wir jedoch einen Weg aus dem Konfliktfall finden wollen, sollten wir auf die Bremse treten. Entschleunigung oder Entlastung braucht Gestaltungsraum, also Zeit zum Entwickeln und zum Entstehen. Je höher ein Konflikt eskaliert ist, desto mehr Zeit brauchen wir.
Angenommen die Zeit ist nun ein Subjekt, können wir dann im Konfliktfall die Zeit dehnen? Ja, wenn wir alles tun, was Spannung heraus nimmt, so können wir mit der Zeit arbeiten, also die Zeit wie ein Tool nutzen um Klärungszeiten zu aktivieren. Wir sprechen dann langsamer, wir wiederholen Gesagtes, wir fassen zusammen oder wir erkundigen uns, was beim Anderen angekommen ist.
Mediatoren bauen diese Verlangsamungen soweit aus, dass sie bewusst Pausen einleiten, in denen gar nicht gesprochen wird. Diese Stopp-Zeiten sind meistens am wertvollsten für den Klärungsprozess, weil eine Besinnung stattfindet, in der z.B. die eigene Wahrnehmung überprüft werden kann, die wiederum Verhaltensänderungen überhaupt erst erkennbar macht.
Konflikte werden leichter und der Umgang damit entwickelt sich professioneller, wenn wir es schaffen, die Zeit zu dehnen und mit dieser Entspannung für Entlastung sorgen. Das belastete Miteinander wird optimiert und zukünftige Auseinandersetzungen können schneller ausgeräumt werden. Das spart Zeit.
Unser bewusstes Zeitmanagement umfasst zum einen den Zeitdruck, um wirtschaftlich zu sein und zum anderen die Zeitentspannung, um Konflikte oder Auseinandersetzungen zu klären. In unserem Zeitalter wünsche ich Ihnen alle Zeit der Welt und freue mich, zeitnah auf Ihre Rückmeldung zu meinem Blog.