Geprägt von großer Offenheit und zugewandtem Zuhören verbreitete dieser Jubiläums-Salon (im September 2014 startete der erste Rösrather Salon!) trotz der großen Gruppe -schnell ausgebucht waren es die maximalen 25 Teilnehmenden- eine beschützende Atmosphäre, getragen von den Mitmachenden, dem sehr aufmerksamen Impulsgeber Dr. Heinz Pilartz und -hoffentlich- von dem Gefühl, dass der Salon diesen Rahmen bietet und auch halten kann.
Persönliches und Allgemeingültiges
Und so startete er auch gleich mit Erlebtem, Erfahrenem und Gelerntem: Mit 22 Jahren Witwer mit 9monatigem Kind, Arbeitsplatzverlust oder der frei gewählte berufliche Ausstieg, um endlich für die eigene Vision Zeit zu haben. Neuanfänge haben viele Gesichter – ob freiwillig gewählt oder vom Schicksal aufgezwungen. Viele Lebensgeschichten kamen im ausgebuchten Rösrather Salon zur Sprache und haben nach dem Impulsvortrag des ehemaligen Hausarztes Dr. Heinz Pilartz dazu beigetragen, Faktoren des Gelingens für Neuanfänge zusammenzutragen.
Sonderform der Normalität
Um nur einige zu nennen: Gelassenheit als Fähigkeit, nicht alles unter Kontrolle haben zu müssen, die Fähigkeit, Hilfe anzunehmen und sich einen „Sparrings-Partner“ zu suchen und dabei zu erkennen, wer einem „auf Augenhöhe“ als emotionaler und intellektueller Begleiter, mehr als Zuhörer denn als Berater, unterstützen kann gipfelnd in der Formulierung: Es ist wichtig die Haltung zu entwickeln: „Wem erlaube ich es, mir einen Rat zu geben?“, also die eigene Sensibilität zu schärfen, wer oder was mir guttut in dieser Ausnahmesituation meines Lebens. Die Krise nicht als Krankheit, sondern als Sonderform der Normalität zu erleben ist ebenso ein wichtiger Hinweis, wie auf die schizophrenen Situationen zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit und die Widersprüche zwischen vernunftbasierter Analyse und emotionaler Reaktion vorbereitet zu sein. Allein das Wissen um die Normalität dieser Widersprüche hilft Neuanfänge erfolgreich zu durchleben, in denen die vertraute soziale Umgebung sich häufig verändert, manchmal auch verloren geht, weil Anderes im Leben wichtiger wurde.
Dies war ein bewegender und berührender Abend; herzlichen Dank an Alle, die dabei waren und ihn mitgestaltet haben! Ganz besonders Dank für die wegweisenden Impulse von Heinz Pilartz, die wir hier mit anhängen als „Merkzettel“ für den nächsten Neuanfang…
Julitta Münch und Michael Schube
Neuanfänge – wenn Anderes wichtig wird…
Impulsvortag von Dr. Heinz Pilartz zum Rösrather Salon am 13.9.2017
Geschichte und Erwartungen
Aus einem „gesicherten“, routinereichen Alltag mit nur wenigen Spitzen und Höhen wird ein emotional instabiler Ablauf. In frühen Lebensphasen ist „Neubeginn“ positiv konnotiert, erst später im Leben irgendwann gibt es da oft eine Stimmungsänderung.
Und Neuanfang ist Krise!
Faktoren des Neubeginns: Ursache freiwillig, in Not, abschätzbar (Rente), plötzlich,…
- Analyse von Vergangenheit und Gegenwart: körperliche und finanzielle Möglichkeiten, Schwere des Leidensdrucks bzw. der Unruhe, Beeinflussbarkeit des Änderungsdrucks (Hilflosigkeit),
- Vision: was soll bleiben, was kann gehen. Je klarer das Bild, desto eindeutiger der Weg. Aber Visionen erfüllen sich nur selten. Aspekte aus dem Projektmanagement spielen hinein. Der Weg dahin braucht:
- Sinnklärung: Sinnstiftend, ablenkend, erleidend
- Selbstehrlichkeit: Durchstarten ist nicht realistisch! Wenn in höherem Lebensalter Erfahrung und Wissen angesammelt ist, sollte das auch spezifisch eingesetzt werden – im Zweifel mit „Sparringpartner“. Auch ein komplett neuer Weg fußt auf Erfahrungen des Vorlebens
- Leistungsbereitschaft: der Weg muss „gepflastert“ werden. Oft muss er erst gefunden werden – Versuche, Experimente, Sackgassen, Investitionen mit offenem Ausgang – und immer Arbeit
- Struktur: Eckdaten, Zeitplan, Strategie (Netzwerk, Vortrag, Golfclub…). Regelwerk – zur Selbstdisziplinierung. Formulieren SMARTer Ziele. „Altes“ mal als Störung und Muster identifizieren und eliminieren oder bewußt mitnehmen….
- Planung: was brauch ich (Geld, Anerkennung), welche Zeit gebe ich diesem Projekt, mit wem geht das, …
- Frustrationstoleranz: Zwischen Vision und Erwartung liegen immer Welten. Viele „Versuche“ schlagen fehl, positive Rückmeldung ist aus verschiedenen Gründen selten (Überlastung und Unaufmerksamkeit, Neid, Empörung (wie kann der nur…), Gewohnheit und Systemik…), der alte Weg war eingespielt und auch erfolgreich. Es gab (meist und verlässlich) Erfolgsapplaus und Motivation.
- Soziales Umfeld: Spielt die Familie mit, hält sie es aus? Verläßlichkeit der alten Peer-group? Unterstützer, Motivierer, Wegbegleiter. Der Neubeginn wird Freundschaften beenden und solche neu entstehen lassen.
- Flexibilität: Neubeginn bedeutet oft „andere“ Kommunikationsmuster: zuhören, annehmen …
- Emotionen: Der Neubeginn ist gleichzeitig Abschiednehmen und willkommen heißen. Gegenläufige Emotionen treten kurz nacheinander oder gleichzeitig auf. Depression und Euphorie können direkt nebeneinanderliegen
- Definitionen (am liebsten schriftlich): Was ist Erfolg? Wie sieht die Freizeit aus? Wieviel will ich investieren? Wie belohne ich mich? Für welchen Zeitraum soll das gelten? Was entspannt mich? Welche „Verluste“ sind akzeptabel
- Bereitschaft zur Modifikation der Zielvorgaben: Anpassungen im Verlauf. SMARTe Ziele
- Resilienz: Bereitschaft zur gelassenen Akzeptanz der Gegebenheiten + aktiv werden
- Mut: Stellung beziehen heißt, die „Deckung“ verlassen
- Gestimmtheit – persönliche Grundstimmung (Alarmisimus, Ignoranz, …) beeinflusst den Weg, beeinflussbar: Ich muss die Emotion nicht ausleben, die ich gerade erlebe.
- Man wird sich selbst häufiger in Frage stellen müssen, als beim Leben in alten Mustern
- Statt Hilflosigkeit Bemühen um Klärung, Lösung und Selbstwirksamkeit
Um starke Gefühle auszulösen, muss nichts „Großartiges“ passieren…