Im (Berufs-)Alltag kommt es immer wieder zu enttäuschten Erwartungen bezogen auf andere. Diese Enttäuschungen können auch auf Einschränkungen oder Krankheiten zurückzuführen sein. Die eigenen Vorstellungen vom Tagesablauf werden dann gestört durch Veränderungen, die „mit uns selbst“ nichts zu tun haben. Durch die Verursachung eines Anderen geraten wir in einen Zustand der Hilflosigkeit. Die entsprechenden „Störungen“ können bei uns Gefühle verursachen, die dem Gegenüber nicht gerecht werden.
In der groben Ablaufplanung unserer Aktionen, Arbeiten oder Vergnügungen sind immer andere Menschen enthalten. Diese werden „verplant“, oft ohne deren Wissen und Beteiligung: Vorannahmen, Erfahrungen, die eigene Position und Selbstwahrnehmung beeinflussen diese Planungen. „Funktioniert“ der Andere nicht entsprechend der (oft unkommunizierten) Überlegungen, ist nicht selten Verstimmung, Ärger oder Groll das Ergebnis.
Welche Reaktionen ausgelöst werden, steht sicherlich auch in einem Zusammenhang zur Qualität der entsprechenden Beziehung und mag uns einen Hinweis dafür geben, wo wir selber im „sozialen Netz“ stehen.
Die Empfindungen, die durch enttäuschte Erwartung ausgelöst werden, kennen wir alle: Ärger, Unwillen, Enttäuschung, Verzweiflung, Wut, Zurückweisung… All diese Empfindungen betreffen ausschließlich uns selber. Vielfach kennt die andere Seite diesen Anteil an den beschriebenen Missstimmungen nicht. (Ver)stimmungen werden dann nicht auf die eigene Person bezogen. So passiert ohne eigenes Zutun zwischen den beteiligten Menschen sehr viel und „Krisen und Konflikte“ auf der Beziehungsebene können entstehen. Ohne dass die Beteiligten eigentlich wissen, worum es geht, entstehen starke Dynamiken.
Und dann kommt die Nachricht, dass Krankheit oder Einschränkung die enttäuschte Erwartung verursacht habe…
Die oben beschriebenen Empfindungen erhalten weitere Empfindungen als „Beiwerk“: Das kann dann Erschrecken, Mitgefühl (besser als Mitleid), Scham oder Schuldbewusstsein sein. Wir kommen möglicherweise mit unseren Empfindungen durcheinander (z.B. gleichzeitig Ärger und Mitgefühl) und geraten so mit uns „ins Chaos“. Das führt zum Verlust von Gelassenheit, Souveränität, das verursacht Stress oder gar „schlechtes Gewissen“.
Die beschriebene Dynamik ist alltäglich. Und die möglichen Effekte sind auf der Beziehungsebene relevant: Empfindungen und Erwartungen stören Beziehungen und Abläufe.
Für die Dynamik spielt es eine große Rolle, ob eine engere oder lockere Beziehung besteht. Bedeutsam ist weiterhin, ob einschlägige Enttäuschungen gemacht wurden, ob das Gegenüber geachtet und anerkannt ist. Nicht selten erlauben wir uns Bewertung, ob „ein solches Verhalten“ überhaupt angemessen ist. Das eigene Krankheitsverständnis, kulturelles Verständnis und Vorerfahrungen spielen bei dieser Bewertung eine bedeutsame Rolle. Ohne etwas mit Krankheit bei anderen zu tun zu haben, kann deren Schicksal das eigene Denken und Empfinden stark beeinflussen. Die Vielzahl der möglichen gleichzeitigen Empfindungen offenbart, dass es kein Patentrezept geben kann, mit diesen Empfindungen umzugehen. Die „Gefühlcocktails“ sind zu unterschiedlich.
Eine Empfehlung könnte sein, sich die hier beschriebenen Dynamiken bewusster zu machen: So behalten wir (wenigstens) das Verständnis für unsere unerwarteten eigenen Verstimmungen. Verstehen erhält uns handlungsfähig. So wird auch das eigene Verhalten kontrollierbar, wenn Ärger über Andere hochkommt, von dem diese gar nichts wissen können…
Verstehbarkeit der eigenen Reaktionen macht einen bewussteren Umgang mit den eigenen Schattenseiten möglich und führt auf Dauer vielleicht dazu, die ständig wertenden Stimmen im eigenen Kopf etwas in den Hintergrund zu befördern.